Ich bin seit 1995 Funkamateur (= Ham) mit dem Rufzeichen DL9UAS und über die Jahre wuchs in mir der Wunsch, wenigstens einmal in meinem Leben die »Hamvention« in Dayton, Ohio/USA, neben der Tokyo Hamfair, eine der größten Messe für Amateurfunk weltweit, zu besuchen. 2023 konnte ich mir den Wunsch endlich erfüllen. Der Grundstein hierfür wurde 2014 in Venice (Florida) gelegt. Dort traf ich zum ersten Mal meinen inzwischen langjährigen Funkfreund Larry (W8LIG) persönlich, der dort als sogenannter „Snowbird“ überwinterte und regulär in Ohio wohnt. Seit dieser Zeit halten wir regelmäßig Kontakt über Funk (Kurzwelle). Ein Widersehen war jedoch auf Grund meines Jobs, Corona und deren Nachwehen, nicht möglich gewesen. Es sollte fast 10 Jahre dauern.
Dann ging jedoch alles ganz schnell. Im Sommer 2022 – nachdem Flugreisen in die USA wieder planbar wurden – legte ich die Prüfung für die US-amerikanische Funklizenz ab. Hierfür musste ich 3 Prüfungen in Folge in Landessprache bestehen und erhielt dafür die „Extra Class License“ mit dem Rufzeichen K9UAS und es eröffnete mir alle Möglichkeiten des Funkbetriebs, nicht nur in den USA sondern z. B. auch an Bord von Schiffen, die unter US-amerikanischer Flagge fahren oder als Teil von ARES® (Amateur Radio Emergency System2 • USA) bei Notfällen.
Mein Funkfreund Larry bot mir freundlicherweise an, bei ihm in Elida/Ohio zu wohnen, was den Vorteil hatte, nicht weit von der Messe entfernt zu sein. Ich traf am Abend des 16. Mai am Flughafen von Columbus/Ohio ein. Dort wurde ich von Larry und seiner Frau Linda am Flughafen abgeholt und wie ein langjähriger Freund sehr herzlich begrüßt. Nach 2 ½-stündiger Fahrt zu ihm nach Hause und nach einer insgesamt 24-stündigen Reise, konnte ich mich endlich auf’s Ohr hauen.
Am 19. Mai war es dann endlich soweit. Wir machten uns mit dem Auto auf den Weg von Elida zur »Hamvention« in der Nähe von Columbus. Bereits auf dem Parkplatz lernte ich viele amerikanische Funkamateure kennen und auf der Ausstellung selbst, schüttelte ich Dutzende von Händen und genauso oft musste ich meine Geschichte: »… wie ich aus Deutschland zu dieser Ausstellung gekommen bin… «, erzählen. Die Messe selbst war richtig groß! In 5 Hallen und dem Außengelände präsentierten kommerzielle Aussteller, sowie Vereine und Clubs alles rund um die Funktechnik. Vom Antennenstecker über riesige Kurzwellenantennen, Software Definded Radios (SDR), Endstufen, fertig ausgestattete Notfunkkoffer, elektronische Morsetasten, bis zum Informationsstand von »M.A.R.S.« (U.S. Army Military Auxiliary Radio System3), konnte man alles bestaunen, ausprobieren und natürlich auch kaufen bzw. bestellen. Da war es beruhigend zu wissen, dass man als Tourist, wie ich, nur eine bestimmte Menge an Freigepäck mit in den Flieger nehmen darf. Trotz tausenden von Besuchern, waren die Hallen nie überfüllt. Es gab genügend Platz für alle und es war alles angenehm temperiert. Und es war recht heiß an diesem Freitag, daher war der Flohmarkt rund um die Hallen gleichermaßen gut von zahlreichen Privatanbietern und tausenden potenziellen Käufern belagert. Da die Fläche Stadiongröße hatte, gab es immer genug „Luft zum Atmen“. Zusätzlich wurde auf dem angrenzenden Gelände aus dem Kofferraum heraus jegliche Art von Amateurfunk-Equipment angeboten. Im Vordergrund stand jedoch immer das persönliche Gespräch, egal ob Aussteller oder Besucher. Man diskutierte über die Technik, brachte sich auf den neuesten Stand und konnte vieles vor Ort ausprobieren. Ich lernte hier viele Funkamateure aus dem ganzen Land und ebenso aus anderen Teilen der Welt kennen. Hervorzuheben sind die Mitglieder des »Tamiami Amateur Radio Club4« aus Florida. Eine Gruppe aus der Gegend um Venice, die sich im Winter im südlichen Florida ein nettes Rentnerleben abseits vom kalten Wetter des Nordens macht. Sie hatten sich vom Süden aus auf die lange Reise nach Ohio gemacht, um uns hier persönlich zu treffen. Hervorzuheben ist Frank (W2XYZ), der viele Jahre als G.I.5 in Pirmasens, RLP stationiert war, dort seine Frau kennenlernte und eine Familie gründete und nach über 30 Jahren wieder in seine Heimat zurückgekehrt war. Sein amerikanisch-pfälzer Dialekt war nicht zu überhören und immer noch von beeindruckender (Pfälzer) Heiterkeit. Ich lernte im Laufe des Tages einige G.I.´s kennen, die, obwohl schon seit Jahren wieder zurück in der Heimat, ihre verbliebenen Deutschkenntnisse (und im gelernten ortstypischen Dialekt) zusammenkratzten, um mich in meiner Sprache begrüßen zu können. Sie waren früher z. B. in Kaiserslautern, Stuttgart, Mannheim oder in Schwetzingen stationiert. Sie schwärmten von Süddeutschland, dem guten Essen, dem Wein und der Gemütlichkeit, der Natur und natürlich immer wieder von Heidelberg. Alles war »so amazing«. Fazit: die Amerikaner lieben Deutschland, nicht nur des guten Essens wegen.
Apropos Essen: auch auf der Messe gab es die typische Auswahl an Fast Food für den amerikanischen Gaumen im Über-Angebot. Zahlreiche Essensstände schafften es, dass es trotz mehreren tausend hungrigen Funkenthusiasten, kaum zu Wartezeiten kam. Wir bemühten uns, etwas halbwegs Gesundes zu ergattern, um uns für den restlichen Aufenthalt zu stärken. Die Organisation der Messe war perfekt. Es wurde an alles gedacht. Vom Verleih eines elektrischen Rollstuhls oder Golfcarts für Gehbehinderte bzw. ältere Besucher, Guides, über einen Shuttle-Service zu allen umliegenden Parkplätzen, die im Umkreis von mehr als 10 Meilen verstreut lagen, nichts blieb dem Zufall überlassen.
Nach einem anstrengenden Tag auf der Messe fuhren wir wieder gegen Nordwesten und beendeten diesen fantastischen Tag im Westgate Entertainment Center6 in Lima, wo wir uns eine exzellente Pizza und original amerikanisches Bier gönnten.
Die Hamvention war jedoch nicht der Einzige Ort, wo ich auf Hams, also Funkamateure, traf. Am Sonntag, dem 21. Mai besuchten wir noch das »National Museum Of The United States Air Force7«. Ein Museum der Superlative und mit einer Menge amerikanischen Patriotismus, dass man unbedingt gesehen haben muss, wenn man in Ohio ist. Der Eintritt ist frei, die Ausstellung ist riesig und besteht aus 4 überdimensionierten Hangars, die speziell für diese Ausstellung errichtet wurden. Hier trafen wir im Eingangsbereich auf Thaire (W2APF/VP2MDX) und seine Frau Debbie aus New Hampshire. Die beiden sind wahre Weltenbummler. Sie waren selbstverständlich auch auf der Hamvention und planten 4 Wochen später nach Friedrichshafen am Bodensee zu reisen, um dort die Deutsche Amateurfunkmesse (Ham Radio) zu besuchen. Und im kommenden Winter reisen sie auf die Insel Montserrat (Kleine Antillen/Karibik), um sie funktechnisch unter dem Rufzeichen VP2MDX zu »aktivieren« Wir fanden uns alle auf Anhieb sehr sympathisch und so unterhielten wir uns viel länger als geplant miteinander. Beinahe vergaßen wir das Museum und mussten uns förmlich losreisen. Wir erlebten über 100 Jahre Fluggeschichte, bestaunten u.a. den Stealth Bomber, eine wunderschöne Super-Constellation und die Präsidentenmaschine von J.F. Kennedy, mit der er nach dem Attentat im Jahre 1963 aus Dallas ausgeflogen wurde. Die »Rosinenbomber«, die die Luftbrücke von Berlin bildeten, durften auch nicht fehlen. Es war das letzte highlight meiner Reise und wir ließen den Sonntagabend im Texas Roadhouse in Lima bei einem guten Abendessen ausklingen.
Während meines Aufenthalts in Ohio hielt ich Funkkontakt zu meinen Freunden zu Hause in Deutschland und informierte sie regelmäßig über die Erlebnisse vor Ort. Die Funkbedingungen gestalteten sich jedoch sehr wechselhaft und es gab nur kurze Zeitfenster, um in Kontakt zu kommen. In Telegrafie funktionierte es erwartungsgemäß besser als über Sprechfunk. Immerhin konnte ich neben Deutschland, noch mit anderen europäischen Ländern eine gute Verbindung aufbauen.
2 Tage später machte ich mich – vollgepackt mit schönen Erfahrungen und kostbaren Erinnerungen - wieder auf die Heimreise nach Deutschland. Mein Dank gilt besonders Larry und seine Frau Linda, die mich während meines Aufenthalts wie ein Familienmitglied an ihrem amerikanischen Alltag teilhaben ließen und mir die Gelegenheit boten, deren Familie und Freunde kennen und schätzen zu lernen sowie gemeinsam die Gegend zu erkunden. Dies alles machte diese Reise so einmalig und unvergesslich. Und wieder einmal bestätigt sich die Aussage: »Amateurfunk verbindet – weltweit«
Bernd Schnell • DL9UAS/K9UAS (Wer mehr über Amateurfunk erfahren möchte, schreibt bitte an: dl9uas@gmx.de)
1 hamvention.org
2 de.wikipedia.org/wiki/Amateur_Radio_Emergency_Service
3 en.wikipedia.org/wiki/Military_Auxiliary_Radio_System
4 tamiamiarc.org
5 G. I., ist eine Bezeichnung für einen einfachen Soldaten der Streitkräfte der Vereinigten Staaten von Amerika.
6 westgateentertainmentcenter.com
7 www.nationalmuseum.af.mil