Was tun bei Gewitter?
Gewitter Wo ein Blitz einschlägt, jagen einige 100 000 Ampere durch die Erde, fließt noch im Umkreis von 20 Metern Strom durch den Boden. Wie mächtig ist diese Naturgewalt? Wie schützt man sich vor ihr? Und wer zahlt was, wenn der Blitz den Computer zerlegt? Wir verraten es.
"Wissen Sie eigentlich, was Schrittspannung ist?" Der Mann muss schreien, so laut prasselt der Gewitterregen auf das Dach seines Autos. Darin hocken drei Erwachsene, die der Mann kurz zuvor am Waldrand aufgelesen hat. Dort hatten die Drei Schulter an Schulter auf Campingstühlen vor ihrem Zelt gesessen ‑ und damit "so ziemlich alles falsch gemacht, was man bei einem Gewitter falsch machen kann", sagt der Mann, der nur zufällig vorbeigekommen war, kopfschüttelnd. Und während ein gewaltiger Blitz durch die Wolken zuckt, erklärt er den Fremden in seinem Auto die Schrittspannung. Eine Lektion fürs Leben, wie er hofft.
Ein Blitzeinschlag jagt einige 100 000 Ampere in die Erde. Noch im Umkreis von 20 Metern fließt Strom durch den Boden. Befindet sich ein Mensch in diesem so genannten Spannungstrichter, überbrückt er, je weiter seine Fuße auseinander stehen, eine umso größere Spannung. Diese Schrittspannung kann einen gefährlichen Stromstoß durch den Körper treiben, zu schweren Verletzungen und vorübergehender Lähmung führen. Kann man sich vorm Gewitter nicht in Haus oder Auto retten, lautet daher eine der Regeln: Füße zusammen, in die Hocke und auf Abstand gehen zu Einschlagstellen wie Bäumen, anderen Menschen oder Metallgegenständen - wie eben Zeltstangen.
Aus dem sicheren Auto heraus beobachten die Camper:das Blitzlichtgewitter. Das Feuer vom Himmel hat Menschen schon immer fasziniert. Der Blitz ‑ vom indogermanischen "bhlei" (leuchten) - galt als Zeichen der Götter oder Ahnen, die drohten oder Versöhnung signalisierten. Bei den Germanen schleuderte Donnergott Thor die Blitze, bei den Griechen war es Zeus, bei den Römern Jupiter. Erst 1752 bewies der Erfinder des Blitzableiters Benjamin Franklin, dass der Blitz eine elektrische Entladung ist. Heute mutmaßen Evolutionsforscher, dass Blitzeinschläge in die "Ursuppe" die ersten organischen Moleküle hervorbrachten.
Mit Radargeräten wurden zwischen Wolken schon horizontale Blitze von 140 Kilometern Länge gemessen. Jüngst entdeckten Forscher einen bisher unbekannten Blitztyp, der von der Oberseite mächtiger Gewitterwolken aus ein Dutzende Kilometer weites Lichtgeflecht bis zu 90 Kilometer hoch in den Himmel schickt. Vertikale Blitze erreichen eine Länge von fünf bis sieben Kilometern und zucken mit einem Drittel der Lichtgeschwindigkeit zwischen Himmel und Erde - mit diesem Tempo könnte der Blitz in einer Sekunde zweimal um die Erde jagen.
Hochgeschwindigkeitsaufnahmen zeigen den Blitz-Ablauf: Zuerst löst sich eine Vorentladung aus der Wolke und rast mit 300 Sekundenkilometern zur Erde. Diesem kaum sichtbaren Leitblitz springt von einem oder mehreren erhöhten Punkten eine elektrische Fangentladung entgegen und rast im Kanal des Vorblitzes nach oben. Dieser helle Hauptblitz hat eine Stromstärke von mehreren 10 000 Ampere. Die bislang höchste gemessene Temperatur in einem Blitzkanal betrug 30 000 Grad Celsius ‑ fünf Mal so heiß wie die Oberfläche der Sonne. Nach dieser ersten Entladung rasen weitere Blitze so schnell hin und her, dass das Auge nur einen einzigen flackernden Zickzackstrahl wahrnimmt.
Blitze entstehen durch die unterschiedliche elektrische Ladung von kleinen Wassertröpfchen und Eiskristallen innerhalb von Gewitterwolken. Durch Wind und damit verbundener Reibung werden kleinere Partikel positiv und die größeren negativ aufgeladen. Die kleineren Teilchen wirbeln durch den Luftstrom an den oberen Wolkenrand, so dass ein Ladungsungleichgewicht in der Wolke und zwischen dem negativ geladenen unteren Bereich der Wolke und dem Erdboden entsteht, welches nach Ausgleich strebt. Wird die Spannung zu groß, entlädt sie sich als Blitz. Die Luft dehnt sich durch das schlagartige Erhitzen wie die Schockwelle einer Explosion blitzartig aus: Donner kracht.
Geschätzte 100 Blitze treffen pro Sekunde die gesamte Erdoberfläche. In Deutschland werden etwa 75 000 Einschläge jährlich gezählt und bis zu zehn Blitztote. Tatsächlich: Die Wahrscheinlichkeit, vom Blitz erschlagen zu werden, ist geringer als die, sechs Richtige im Lotto zu tippen. © Margit Mertens
Wer zahlt Schäden?
Blitzschäden ersetzt die Hausratoder die Gebäudeversicherung. Geld gibt es aber nur, wenn Gebäudeteile oder Gegenstände direkt vom Blitz getroffen werden oder bei Überspannungsschäden, wenn der Blitz in unmittelbarer Nähe einschlägt. In allen anderen Fällen, ab ungefähr einem Radius von einem bis vier Kilometern, wird nur entschädigt, wenn die Police zusätzlich Überspannungsschäden einschließt. Diesen Zusatzschutz haben nach Angaben des Versicherer‑Verbandes GDV rund 70 Prozent aller Hausratversicherten noch immer nicht. Der Tipp: Überspannungsschäden mit mindestens fünf Prozent der Versicherungssumme absichern. Beträgt die Versicherungssumme beispielsweise 50 000 Euro, dann sind indirekte Blitzschäden mit 2500 Euro abgesichert. Wer hochwertige Elektrogeräte besitzt (dazu zählt der PC), sollte eine höhere Summe wählen.
Was tun?
Was tun bei Gewitter im Freien? Soll man Buchen suchen, Eichen aber weichen? Stimmt nicht. Hier die wichtigsten Verhaltensregeln:
Suchen Sie ein Gebäude auf, möglichst mit Blitzschutz, oder setzen Sie sich ins Auto ‑ so lange es kein Cabrio ist.
Kein Haus, kein Auto in der Nähe? Gewissen Schutz gewährt ein Wald, wenn dessen Bäume in etwa gleich hoch sind und der Abstand zwischen Bäumen und tiefen Ästen drei Meter beträgt.
Gehen Sie in einer nicht überschwemmten Bodenmulde mit dicht nebeneinander gesetzten Füßen in die Hocke und umschlingen Sie ihre Beine. Legen Sie sich keinesfalls flach auf den Boden und laufen Sie nicht.
Halten Sie möglichst großen Abstand zu anderen Menschen, Pferden, Kühen und Metall (etwa Zäune, Zweiräder oder Golfschläger).
Meiden Sie Wasserflächen, Waldränder, alleinstehende Bäume (egal, ob Buchen, Eichen oder andere), Hügel- oder Dünenspitzen.