Vorgeschichte bis 1951

    Vorgeschichte bis 1951

      Vorgeschichte bis 1951

      Vorgeschichte bis 1951

       

      Die Mönche im Mittelalter sollen ihre Geschichtsschreibung immer mit Adam und Eva begonnen haben. Das hätten wir auch gerne getan. Wer war nur der erste Funkamateur in Gelsenkirchen? Von Dortmunder Funkfreunden ist bekannt, dass es dort schon in den Zwanziger Jahren einen Zusammenschluss von Radiofreunden gab, aus denen dann sendende Amateure hervorgegangen sind. Über Gelsenkirchen sind vergleichbare Vorkriegsaktivitäten kaum bekannt, obwohl sicherlich auch hier Radiobegeisterte aktiv waren.

      Zum besseren Verständnis ein kurzer Rückblick auf die Geschichte des Radios. Mit der ersten Rundfunkausstrahlung 1923 setzt eine stürmische Entwicklung der Funktechnik ein. Zuvor wurden die Empfangsamateure von der Reichspost mit großem Argwohn betrachtet – die Vorstellung sendender Funklaien war eine apokalyptische Schreckensvision leitender Postbeamter. Unbeeindruckt davon schließen sich schon 1924 einige Radiovereine – man nennt es offiziell ‚Deutsches Funkkartell’ – zusammen und erzeugen genug Druck, damit es endlich Genehmigungen für den Bau von Empfangsgeräten gibt. Doch die Konstruktion von Empfängern jeder Art ist nur gestattet, wenn vom Antragsteller eine Prüfung abgelegt und eine monatliche Gebühr in Höhe von zwei Reichsmark entrichtet wird. Diese Prozedur endet aber schon Ende 1925. Jetzt dürfen ohne Erlaubnis Radios gebaut werden. Dank der Radiovereine setzt sich die Meinung durch, dass das Radio einen kulturellen Fortschritt bedeutet und die Bastler hierzu wesentliche Beiträge liefern. Das Jahr markiert übrigens auch einen ersten Höhepunkt des ‚echten’ Amateurfunks. Von den Radiovereinen wird im Juli der erste deutsche Amateur Radio Club, der Deutsche Funktechnische Verband e.V. (DFTV) gegründet. Doch noch überwiegt die Skepsis gegenüber dem ‚Sendungsbewusstsein’ einiger Radioamateure. Obendrein ist die Gemeinde von sendenden Amateuren noch recht klein. Etwa 300 sind in dieser Zeit bekannt, während in den Radiovereinen schon Zehntausende registriert sind. Der echte Vorläufer des DARC ist in der Gründung des Deutschen Amateur Sende- und Empfangsdienst (DASD) im März 1927 zu sehen. Funklizenzen erhalten nur Vereine und mit wenigen Ausnahmen auch Privatpersonen. Eine Praxis, die später übrigens von der DDR aufgegriffen wird, um den Amateurfunk besser zu kontrollieren.

      Wie sieht es im Ruhrgebiet aus? Aus übergeordneten Chroniken wissen wir, wie der DASD sich im Reichsgebiet organisiert und wer namentlich im Ruhrgebiet für die Verbreitung des Radio- und Funkfiebers sorgt. Für unseren Raum ist die Landesgruppe 5, Rheinland-Westfalen, zuständig. Diese wiederum ist in Landesverbände untergliedert. Der Landesverband ‚H’ betreut die Mitglieder im Bereich der Reichspostdirektionen Münster und Dortmund. Ab Juli 1933 leitet ihn zum Beispiel Dr. Huppertsherg, Essen, DE0288. Ab 1938 übernimmt dann Dr. P. Greif, DE2911, D3FMH, der zeitweise in Gelsenkirchen-Horst, Brauckstr. 84, wohnt. Der letzte bekannte Landesverbandsführer unter der Nazi-Herrschaft ist Jakob Fahnenschmidt aus der Nachbarstadt Essen. Die zuletzt genannten Namen stehen also für die Zeit nach 1933. Auf der Leitungsebene des DASD ist durch den Einfluss der NSDAP ideologischer Ballast in den Amateurfunk getragen worden. Man solle sich frei machen von marxistischem und jüdischem Einfluss und ähnlichen faschistischen und damit menschenverachtenden Überzeugungen. Wie sich das praktisch auswirkt ist dem Verfasser nicht bekannt; schon gar nicht mit Bezug auf das lokale Geschehen.

      Ein Wort zu den merkwürdigen Buchstaben- und Zahlenkombinationen wie DE0288 oder D4BAH. Zwischen 1927 und 1933 sind drei Arten von Funkamateuren auf Sendung. Kategorie eins umfasst die wenigen Amateure, die eine offizielle, eine ‚weiße’ Lizenz besitzen. Sie sind an den D4XY-Rufzeichen zu erkennen. Kategorie zwei beschreibt Amateure, die beim DASD im Geheimen eine inoffizielle, schwierige Prüfung ablegen und ein DASD-Rufzeichen zugewiesen bekommen. Voraussetzung für diese ‚graue’ Lizenz ist die bestandene Hörer-Prüfung (DE-Nummer). Kategorie drei schließlich sind absolute Schwarzsender, die auch mit dem DASD nichts zu tun haben und die später mit Hilfe des 1937 erlassenen Schwarzsendergesetzes strengstens verfolgt werden:

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      Die Zulassungshürden sind nach 1933 auch noch höher. Nach dem Eintritt in den DASD startet für den angehenden Funkamateur ein regelrechtes Qualifizierungsprogramm. Spätestens sechs Monate nach dem Beitritt wird die DE-Prüfung erwartet, nach dessen Bestehen der Amateur zu den ‚offiziellen deutschen Empfangsstationen’ zählt. Die ‚Hörberichte’ erfolgen unter besagter DE-Nummer. Da die Sendelizenzen nach wie vor knapp sind, fällt die nächste Hürde stark siebend aus. Nur nach erteilter DE-Nummer darf man spezielle Kurse belegen, die auf die ‚Senderprüfung’ vorbereiten. Neben der Schulung in Morsetelegrafie erfolgt eine vertiefte Beschäftigung mit Hochfrequenz- und Sendertechnik. Nachdem nun noch diverse Behörden ihr grünes Licht gegeben haben, darf der Kandidat im Beisein eines Postvertreters endlich die Prüfung ablegen. Der Besitz einer amtlichen Sendelizenz ist also in dieser Zeit etwas ganz besonderes.

      Gestapo statt Aufnahmebescheinigung – Erfahrungen während des Krieges

       Was haben Funkamateure während des Zweiten Weltkrieges gemacht? Wie ist es ihnen im Ruhrgebiet ergangen? Walter Rätz, ex DL6KA und später Mitglied im OV Gelsenkirchen, hat seine Geschichte für diese Chronik aufgeschrieben:

       

      Schon vor dem Krieg gab es in Herne eine Möglichkeit, das Seesportfunkzeugnis zu erlangen. In einer angemieteten Wohnung, auf der damaligen Hermann-Göring-Straße, brachten ehemalige Marinefunker den interessierten Jugendlichen in der FWGM = Freiwilliger Wehrfunk Gruppe Marine das notwendige Können bei. Da es als vormilitärische Ausbildung galt, war es kostenlos. Mit dem Abschluss der Ausbildung konnten wir simulierten Funkverkehr (also ohne Funkgeräte) in mehreren Gruppen abwickeln. Selbstverständlich war es unser Ziel, mindestens die Tastgeschwindigkeit beim Morsen (Tastfunk), wie bei der Marine üblich, zu erreichen; nämlich Tempo 140 Buchstaben/min, sowohl geben als auch lesen zu können – eine Kunst, die man nie wieder verlernt. Nach einer Prüfung gehörte man, militärisch eingeordnet, zur „seemännischen Bevölkerung“. Das bedeutete automatisch zur Marine eingezogen zu werden (was ja durchaus in meinem Sinne war).

       

      Da ich gerne bastelte, habe ich mich schon früh mit dem Radiobasteln befasst und nach Detektorempfängern auch Röhrenverstärker und einfache Empfänger mit Röhren gebaut. Es war für mich nahe liegend, Kontakt zum Radioamateurfunk zu suchen. Morsen konnte ich ja schon. Das war jedoch einfacher gesagt als getan. An wen konnte ich mich wenden? Nach vielen Erkundigungen hat mir jemand den Tipp gegeben, dass ein Funkamateur in Bochum auf der Kohlenstraße wohne. Nun, ich hatte es mir in den Kopf gesetzt, Kontakt zu finden, denn die Morsekenntnisse und das Basteln sollten ja zusammen eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung werden. Die Kohlenstraße hat eine ziemliche Länge und ist stark mit Mehrfamilienhäusern bebaut. Ich habe an einem Ende damit begonnen, zunächst in Geschäften zu fragen – aber keine befriedigende Auskunft bekommen. Also zurück, um in jedem Haus nachzufragen. Man kann sich denken, dass ich am falschen Ende angefangen hatte und wurde natürlich erst am anderen Ende der Straße fündig. Kurz und gut, der betreffende Funkamateur gab mir die Adresse des Deutschen Amateursende- und Empfangsdienstes (DASD) und einige Heftchen mit. Ich meldete mich als Mitglied an. Das muss so um 1942 gewesen sein. Nach einiger Zeit kam statt der Aufnahmebestätigung ein Herr von der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) in der Vormittagszeit zu uns. Meine Mutter war alleine zuhause und stand ihm Rede und Antwort – er sollte wohl schnüffeln, ob wir politisch sauber seien. Ein Hitlerbild hing jedoch an keiner Wand unserer Wohnung - übrigens niemals. Er erfuhr, dass ich regelmäßig zur HJ ginge und eine vormilitärische Ausbildung (FWGM, siehe oben) betriebe. Damit war der Fall erledigt. So wurde ich ab 1942 Funkamateur. Das erste zugesandte Vereinsheftchen, „CQ“ genannt, schockte mich gleich, denn insgeheim haben mein Freund Klaus aus dem Nachbarhaus und ich schon „nur mal so“ überlegt, wie wir von Haus zu Haus eine Funkverbindung erstellen könnten. Ich fand eine Mitteilung auf der ersten Seite des Heftchens in folgender Aufmachung:

      Dass uns das Schwarzsenden verging, ist verständlich, aber wir kamen doch etwas ins Grübeln über die Härte der Strafe für ein Delikt dieser Geringfügigkeit an einem Achtzehnjährigen. Vielleicht haben die Verurteilten ja geheime Nachrichten an den damaligen Feind gefunkt - trösteten wir uns.

       

      Bleibt noch zu erwähnen, dass Freund Klaus und ich dann gefahrloser eine Drahtverbindung zwischen unseren Balkonen herstellten, über die wir uns gegenseitig verständigten. Ich habe die Heftchen bis Ende 1944, solange die Feldpost mich als Soldat noch erreichen konnte, erhalten, aber solche Meldungen erschienen nie wieder, obwohl nach heutiger Kenntnis fleißig schwarz gefunkt und verurteilt wurde . Der Präsident des DASD, so stand es auf den späteren Titelseiten, war inzwischen ein General der Waffen-SS (Sachs). Auch der in damaligen Amateurkreisen sehr beliebte Schriftleiter Rolf Wigand tauchte im Impressum nicht mehr auf. Erst viele Jahre nach dem Krieg erfuhr ich, dass auch er hingerichtet wurde. (...)

       

      Weichenstellung

      Mittlerweile war ich bei der Infanterie gelandet, da die Marine für uns keine Verwendung mehr hatte. Nach einem Einsatz in der Nähe von Posen und einem anschließenden Lazarettaufenthalt wurde ich nach Potsdam verlegt.

       

      Ich hatte noch das Halbjahres-Heftchen, die CQ, vom Deutschen Amateur Sende- und Empfangsdienst bei mir und mir fiel wieder eine vor Wochen gelesene kurze Notiz ein. Dort stand, dass Funkamateure, die sich als Soldaten auf Grund ihrer Kenntnisse im Funken, Verschlüsseln und der HF-Technik im Kriegseinsatz für „Führer, Volk und Vaterland“ nicht auf dem richtigen Platz fühlten, das dem Büro des DASD melden sollten.

       

      Ich fühlte mich schon bei dem ersten Lesen des Artikels angesprochen. Also, nichts wie hin, da es ja von Potsdam nach Berlin mit der S-Bahn nicht weit war. Im Büro des DASD angekommen, die nächste Überraschung. Nur Leute von der Waffen-SS im Raum – ach ja, der Präsident des DASD ist ja General der Waffen-SS, ging es mir durch den Kopf. Ich meldete mich ordnungsgemäß. Einer steht wortlos auf und geht zum Schreibtisch und fragt, kurz angebunden, dann: „ Name, Dienstgrad , DASD-Nummer, Militäranschrift“.

       

      Anschließend Rückfahrt nach Potsdam. Dienst nach Plan. Eines Tages ruft mich jemand zur Schreibstube. Mein Hauptfeldwebel spricht mich an: „Haben sie Beziehungen zum OKW?“ (Oberkommando der Wehrmacht). Meine Gegenfrage: „Wieso“? „Sie sollen zur Nachrichtentechnik, seien sie froh“. (Hier muss ich einfügen, dass meine Kompanie mit den knapp ausgebildeten Rekruten unmittelbar vor dem Einsatz gegen den Russen stand.) Mit einem schriftlichen Marschbefehl versehen, wurde ich zu einer Funksonderkompanie nach Petersdorf bei Fürstenwalde geschickt. Dort angekommen, fand ich zu meiner Überraschung eine angenehme Funkamateurgemeinschaft vor. Dienstgrade spielten keine Rolle. Hauptsache, man konnte funken. Ja, es existierte sogar ein offizielles Rufzeichen für unsere Amateurfunkstation, und diese wurde auch von dafür zugelassenen OMs für den Funkverkehr mit dem neutralen Ausland benutzt. Und das im Krieg. Krieg war in der Umgebung von Petersdorf zu der Zeit für mich kein Thema mehr. Hier waren wir Funkamateure pur. Nach einiger Zeit wurde ich nach Berlin zur Verteidigung der damaligen Reichshauptstadt abkommandiert und führte bis zum Ende des Krieges eine Funkstelle.

       

      Amateurfunk-Prüfung

      Nach dem Krieg, im Sommer 1950, legte ich meine Amateurfunk-Prüfung bei der Oberpostdirektion in Dortmund ab und erhielt das Rufzeichen DL6KA. Ich war schon bald mit einem Sender, den ich von dem legendären Funkamateur Karl Schultheiß in Bochum ( 1971 Präsident des DARC) erworben hatte, auf dem 80-m-Band präsent. Die Antenne, eine 20 m lange Drahtantenne, zog ich vom benachbarten Haus zum Rathausturm in Herne. Nach ein paar Jahren verzog ich nach Gelsenkirchen und wohnte zunächst als Junggeselle zur Untermiete. Trotzdem konnte ich meine Station aufbauen und verlegte quer über die Schemannstraße in Gelsenkirchen-Rotthausen die bewährte Drahtantenne. (...) .

       

       

      Zurück zum weiteren lokalen Geschehen. Die Zeit vor der Ortsverbandsgründung 1951 liegt weitestgehend im Dunkeln. In einer Chronik des Distrikts Ruhrgebiet des DARC wird zumindest auf eine Funklizenz ‚K4ABZ’ verwiesen, die von den britischen Besatzungsbehörden an die Vestischen Radiowerke in Gelsenkirchen-Buer, Marienstraße 14, erteilt wird. Was dort mit diesem Rufzeichen getrieben wurde, konnte bisher von niemandem beantwortet werden . Von den Nachbarstädten ist einiges mehr bekannt. Die aktiven Dortmunder haben wir schon erwähnt. Und vielleicht hätte es den späteren Ortsverband der Funkamateure in Gelsenkirchen nie gegeben, wenn die ersten Nachkriegs-Radiomateure nicht in Bochum Unterstützung gefunden hätten. Namentlich OM Adolf Schmitt, DL1NR, fördert die OMs aus Gelsenkirchen ganz besonders. So pilgert man in den Nachkriegsjahren rüber nach Bochum, um dort die Lizenzprüfung zu absolvieren. Nicht nur aus Gelsenkirchen kommen die Interessierten. Auch aus anderen Nachbarstädten zieht es die OMs nach Bochum, weil dort etwas passiert. Bekannt ist auch, dass nach 1945 im Hans-Sachs-Haus Veranstaltungen der Bochumer Funkamateure stattfinden. Das ‚Wann’ und ‚Warum’ ist ein noch ungelüftetes Geheimnis.

       

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