OV P19 im Umbruch durch aktive Jugendarbeit

"Euer OV P19 (Freudenstadt/Nordschwarzwald) hat den höchsten Altersdurchschnitt des Distriktes", nüchterne Bilanz des Distriktvorsitzenden Peter Dietrich DJ3OI, anlässlich einer Jubiläumsveranstaltung.

"Na und?" mögen wohl einige gedacht oder gemurmelt haben, nachdem sie je nach Veranlagung das graue Haupt unwillig oder gleichgültig geschüttelt hatten, wie die alten Löwen im abendlichen Tierfilm. Sie waren in früheren Jahren selbst Triebfedern des OV gewesen, jetzt aber verständlicherweise ruhiger geworden. Sie kennen das sicher auch, Rückbesinnung mit verklärten Augen: "Weißt Du noch, als wir das erste 2m-Gerät... und den eigentlich illegalen Umsetzer auf der Höhe von... und wie sich Kamerad Ottokar die Haare kräuselte, als er bei aufziehendem Gewitter so spät wie möglich den Dipol barg, um doch noch einige Punkte für den Contest…? Auch er schon 20 Jahre nicht mehr unter uns!"

Nicht aber Dieter DJ3BI, der zwar noch keinen grauen Kopf aber auch schon gegen 60 Windungen auf der Lebensspule hatte. Er sollte ein paar Jahre später, nämlich ab 1996 OVV sein! Eine schwere Aufgabe für den gelernten Elektroingenieur (Fachrichtung HF), auch nachdem er als "Technischer Referent" des OV zwei Packet Digis eingerichtet, Antennenexperimente durchgeführt, also schon viel im OV bewegt hatte. Zusammen mit ihm war eine wachsende Anzahl von Mitstreitern nachdenklich geworden. Aber allgemeine Maßnahmen wie Infoveranstaltungen und „appetitanregende“ Ausflüge waren vorher ohne Resonanz an jüngeren Interessenten abgeperlt. Wahrscheinlich empfanden die Youngsters auch den monatlichen OV-Abend wie einen Besuch im Altersheim!

Selbst schon kurz vor dem Rentenalter stehend, nahm sich Dieter die Verjüngung des OV als Schwerpunkt der OV-Arbeit vor und wollte nach vier Jahren den OV in jüngere Hände geben. Ein stolzer Plan, den er bei seinem Antritt vortrug. Schütteln der grauen Häupter.. , siehe oben.

Der Weg

Nachdem die meisten Mitglieder für eine rein biologische Verjüngung des OV nicht mehr in Frage kamen, blieb als erster Schritt nur die Möglichkeit, einen Kurs für Klasse 3 anzubieten, ultima ratio! Die Akzeptanz war gering. Gerade 4 Interessenten hatten sich gemeldet, einer sprang noch ab, weil der Weg aus dem Stuttgarter Raum in die Volkshochschule Freudenstadt im Winter Expeditionscharakter annehmen kann, und abends erst der Rückweg!? Verständlich, meinten wir und zogen einen Kurs mit 3 Interessenten durch, zwei auch noch für den Nachbar-OV bestimmt. Drei kleine Negerlein, da war es nur noch einer für P19! Drei Instruktoren, Dieter DJ3BI, Klaus DC5GB und ich saßen 3 Schülern gegenüber. Für P19 war Stefan dann als DO4GS neues Mitglied geworden. Erkenntnis: Man muss viele Frösche küssen, bis einer zum Prinzen wird.

Ja, eben dieser Prinz war nach Abschluss seiner Meisterprüfung (Elektrofach!) bereit, ab 2002 das Amt des OVV für P19 zu übernehmen. Die Wahl war eher Formsache. Dieter konzentrierte sich wieder auf technische Projekte, Messungen und Reg-TP-Meldungen, wirkte aber auch mit bei Veranstaltungen, auf dem Weg zum noch aktiveren OV-Leben.

Klasse 3 - Etappensieg

Nach drei Jahren Abstinenz der nächste Kurs, Klasse 3 mit Option auf Klasse 2 und 1. Lief ab Oktober 2002 mit insgesamt 18 (!) Interessenten zwischen 13 und 65 Jahren, die meisten aber in jugendlichem Alter, das Ergebnis der Erneuerung! Zwei Mädchen (13 und 15 Jahre!) waren auch dabei. Auf dem Bild ist nur eine Auswahl zu sehen. Wie ein Sack Flöhe: Alle sind nie auf ein Bild zu bannen.

CW gleich ab Kursbeginn parallel zu Technik, Betriebstechnik und Vorschriften Die nötige Algebra mussten wir den Jüngsten erst beibringen, hatten sie in der Schule noch nicht. Den Teilnehmern mit fast einem halben Jahrhundert nach dem Stimmbruch fiel dagegen CW schwer. Sie hatten schon Klasse 2 oder 3 und kompensierten die langsamere Lerngeschwindigkeit durch mehr Eifer und einen wöchentlichen Zusatztermin bei mir zuhause.

Ach ja, Instruktoren waren wieder Dieter DJ3BI, Stefan DO4GS in der Doppelrolle als Lehrer und Schüler zur Klasse 1 und ich. Dazu noch Ernst DJ5HV, und Horst DK5TM, mit Einzelbeiträgen zu Spezialthemen.

Die Raumfrage lösten wir zuerst mit Hilfe der Kirchengemeinde Waldachtal-Tumlingen, welche die alte Schule bis Jahresende 02 gemietet hatte. Dann traten die fischerwerke Tumlingen ein, die uns einen hervorragend ausgestatteten Schulungsraum zur Verfügung stellten. Vielen Dank an beide Institutionen. An der Raumfrage ist schon manches Projekt gescheitert, besonders bei größerer Teilnehmerzahl. Nur zwei Aussteiger hatten wir auf dem Weg zur Klasse 3 zu beklagen. Eben in dem speziellen Alter, in dem das Interesse an HF und DX durch PS und YL abgelöst wird. Na ja, der nächste Kurs kommt bestimmt. Die Wogen glätten sich vielleicht bis dahin.

Die Gruppe war so heterogen wie möglich: Schüler, Berufstätige und Rentner. Nach wenigen Treffen eine eingeschworene Gemeinschaft. Und wie immer musste einer etwas an die Kandare genommen werden, weil er vor lauter Temperament zeitweilig zum Störfaktor für die andern zu werden drohte. Anderen musste geholfen werden, sich auch persönlich mehr in die Gruppe einzubringen.

Wir verlieren einen Freund

Einen herben Verlust hatten wir noch vor der Prüfung zur Klasse 3 zu verkraften: Freund Dieter DJ3BI, meldete sich für eine Kurswoche ab, „um eine kleine Operation durchführen zu lassen". Leider ist dabei etwas schiefgegangen. Er verstarb nach 3 Wochen an einer Infektion, ohne das Bewusstsein wieder erlangt zu haben. Neben der menschlichen Tragödie, die besonders die Familie trifft, fiel unser bester HF-Mann aus. Wir haben versucht, ihn so gut das ging zu ersetzen, wobei die Hauptlast auf Stefan entfiel.

Dann ging es nach Konstanz zur Prüfung: Alle Teilnehmer schafften Klasse 3 ohne Nachprüfung, zwei ohne jeden Fehler, darunter auch eines der Mädchen. Der Prüfer: "So viele Jugendliche habe ich schon lange nicht mehr hier gesehen". Dieter hätte sich auch gefreut, und wir sind ihm sehr dankbar.

Endspurt

Wir brauchten keine Überzeugungsarbeit leisten. Die meisten neuen Lizenzinhaber wollten in zwei weiteren Monaten zur Klasse 1 geführt werden. Zwei von unseren Jüngsten haben demonstrativ das DO-Rufzeichen abgelehnt! "Wir kommen in 8 Wochen ja ohnehin wieder. So lange können wir auch mit dem Ausbildungscall des OV DN1GKE funken, wir bleiben ja noch in Ausbildung". Also hin zu Herrn Fischer, dem Inhaber der fischerwerke, den Raum für weitere 8 Wochen...und ganztägig?. "Natürlich, gerne!" Nochmals danke, Herr Fischer.

Crashkurs für Klasse 2 und 1 jeweils am Samstag von 10-18 Uhr. Mittagspause gemeinsam in der amerikanischen Botschaft (Mc Donald´s). Oder bei mir zuhause, wo meine Frau über die Spaghettiberge, Pizzaräder und Leberkäselaibe nur staunen konnte, die in jungen Mägen innerhalb einer halben Stunde spurlos verschwinden können, von Saft und Mineralwasser reichlich umspült.

Jetzt wurde es richtig stressig. Der terminliche Rahmen war kurz, die Köpfe rauchten, Dieter und sein Detailwissen aus über 40 Berufsjahren, das er so anschaulich vermitteln konnte, war nur annähernd zu ersetzen. Mancher künftige Klasse 1-OM schlief in der letzten Kursstunde gegen Abend fast ein. Wir haben den Stoff sortiert, leichter einprägsame Inhalte gut für die letzte Stunde aufbereitet, mit lustigen Beispielen und Geschichten gewürzt und so auch die natürlichen Ermüdungsphasen überwunden.

Und wieder eine Reise nach Konstanz. Die Wagen vollgestopft mit hoffnungsvollen und etwas aufgeregten künftigen DX-Freaks. Zuversicht verbreiten, aufkommende Panik unterbinden, zum Teil lange Wartepausen überbrücken, mit Kuchen und Kakao aus dem Kofferraum dopen.

Endlich das Ergebnis: Alle haben prima abgeschnitten. Nur die zwei Jüngsten müssen wegen eines beziehungsweise dreier Fehler in der Technik noch einmal diesen Teil nachweisen. Die Hamradio wird als Termin dafür festgelegt. Trösten, aufrichten, dann setzt sich aber doch bei einem Big Mac die Erkenntnis durch, dass man von 4 Fächern 3 prima geschafft hat und nur ein Fach nachholen muss. Eine reife Leistung für knapp 14-Jährige. So furchtbar viele Klasse 1 Lizenzen in dem jugendlichen Alter gibt es wohl im DARC nicht!! Auch die älteren CW-Anwärter haben auf Anhieb alle bestanden.

Der CW-Kurs ist aber erst beendet, wenn jeder Neue mit meiner Hilfe die ersten QSO im Log stehen hat. Es gilt, nach bestandener Prüfung die Hemmung vor der Praxis zu überwinden, besonders in CW. Mir war schon immer die Zahl derer zu hoch, die nach der Prüfung die Taste durch das geschlossene Fenster in den Garten geworfen hat, um sie einen Meter tief zu vergraben und künftig nur noch das Mikrofon zu benutzen, auch bei Sonnenfleckenminimum, dem wir ja wieder entgegengehen.

Jetzt scheint uns die Zukunft des P19 gesichert. Dieters Plan der Verjüngung des OV war uns Verpflichtung. Nur sehr schade, dass er das nicht mehr erleben durfte. Keiner der neuen OM und YL wird ihn vergessen, wir Älteren ohnehin nicht. Dazu haben wir viel zu lange mit ihm gearbeitet, gefunkt und auch gelegentlich herzlich gelacht.

Erhart, DL1GKE
Mai 2003

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